Wort des Pfarrers
Ein geistlicher Verlust für das Dorf
Das hatte ich nicht erwartet. Als ich das Pfarramt in Hundwil übernommen habe, hatte es in Hundwil zwei Altersheime. 16 Monate nach meinem Amtsantritt haben wir keins mehr. Innerhalb nicht einmal eines Jahres, wurden das Pfand und das Erika geschlossen.-
Relativ kurzfristig hatten die Bewohnter die Nachricht erhalten, dass sie noch einmal ihr Hab und Gut packen müssen. Die meisten von ihnen hatten gemeint, dass das Pfand, das Erika ihr letztes zu Hause sein werde, bevor sie dann in ihre letzte irdische Ruhestätte ziehen, dorthin wo wir alle einmal hin müssen, ins Grab. Doch es kam anders. Der Gemeinderat Hundwil hatte nach eingehender Prüfung entschieden, dass es sich für Hundwil nicht mehr lohne, das Heim weiter zu führen. Mit schwerem Herzen ist auch die Besitzerin des Hauses Erika zum Entschluss gelangt, das Erika zu verkaufen und, als sie keinen Nachfolger finden konnte, es zu schliessen.
So mussten die Bewohner des Pfand und des Erika in ihrem Alter noch einmal aufbrechen, weg von ihrem „letzten“ zu Hause, weg vom heimeligen Pfand und Erika, weg von den bekannten und geschätzten Pflegerinnen in ein fremdes Haus mit fremden Menschen. (Hätte man die Alten gefragt, keiner von ihnen hätte diesen Tausch gewollt nur für eine eigene Nasszelle und ein grösseres Zimmer.)
Auch für manchen Hundwiler fiel nun der Besuch im Pfand während eines Spaziergangs dahin. Momentan können wir ukrainische Flüchtlinge besuchen, die im Pfand ein Obdach gefunden haben. Doch wissen wir, dass dies nur vorübergehend ist. Beim Erika sitzt nun niemand mehr auf dem Sitzplatz oder im Speisesaal und lächelt und winkt fröhlich, wenn die Kinder von der Schule nach Hause kommen. Eine gespenstische Leere kommt einen nun aus diesem Haus entgegen, da seit Generationen die Alten ihr letztes zu Hause finden durften.
Als Pfarrer hatte ich nur noch wenig Zeit, das Pfand und seine Bewohner richtig kennen zu lernen. Doch wurde dort mit den Bewohnern seit Jahren durch verschiedene Freiwilligen fast täglich eine Andacht gehalten. Es wurde ein Bibelwort gelesen, gesungen und gebetet. Der Name Gottes war in diesem Haus präsent, wie kaum in einem Haus sonst in Hundwil. Im Erika feierte ich all zwei Wochen einen richtigen Gottesdienst mit einer kleinen, treuen Schar. Auch durch meine regelmässigen Einzelbesuche sind mir die Nachbarn ans Herz gewachsen. Manch schönes und herzerquickendes durfte ich da hören, aber auch viel trauriges und erschütterndes. Wie wohl hat es da jeweils getan, im heimeligen Zimmer ein Kirchenlied zu singen und gemeinsam ein Gebet zu sprechen und so gestärkt zu werden im Glauben an den, der in Freud und Leid für die Seinen sorgt. Dass nun weder im Erika noch im Pfand der Name Gottes nicht mehr institutionalisiert Raum erhalten soll, das ist ein unfassbarer geistlicher Verlust für unser Dorf.
Hinzu kommt, dass es hier bei uns nun keinen offiziellen Ort mehr gibt, da die Schwachen und Hilfsbedürftigen Unterstützung und Hilfe erhalten. Denn auch wenn diese Hilfe längst professionalisiert ist (und nicht mehr wie in ihren Ursprüngen in den Klöstern und Hospizen für Gotteslohn getan wird), so war es in diesen beiden Häusern doch allen Hundwilern möglich, durch einen Besuch, einen Fahrdienst, oder auch nur durch ein freundliches Winken den Schwachen zu dienen.
Ich habe mich manches Mal gefragt, auch durch verschiedene Gespräche im Dorf angeregt, ob es nicht hätte anders kommen können. Was wäre gewesen und geworden, wenn schon vor Jahren die beiden Besitzer zusammengespannt hätten und gewisse Arbeits- und Kostenfelder hätten geteilt werden können? Hätten wir in Hundwil dann noch ein Haus, darin unsere Alten, darin eines Tages wir selbst, ihr letztes zu Hause hätten finden können? Wo, zusätzlich zur Kirche, auch der Name Gottes eine Heimat gehabt hätte?-
Hätte der strukturelle und finanzielle Zwang verhindert werden können?-
Für beide Häuser waren die angekündigten Änderungen der kantonalen Vorschriften für Altersheime entscheidend. Ohne bauliche Massnahmen und grosse finanzielle Investitionen auch in die immer aufwendigere und teurere Pflege wäre es deshalb kaum möglich gewesen eine weitere Betriebsbewilligung zu erhalten und weiterhin ein vom Kanton anerkanntes Altersheim zu bleiben und damit auch die (Steuer-) Gelder vom Kanton zu kassieren.-
„Geld regiert die Welt“, heisst der bekannte Spruch. Jesus Christus hat es differenzierter gesehen. Er hat gesagt: „Niemand kann zwei Herren dienen. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon“ (Matthäus 6, 24).
Quelle: Hondwiler Blättli, 1. Quartal 2023