Älteste Zeichnung der Kirche Hundwil, in der Predigtsammlung von 1466, heute Staatsarchiv Appenzell (Innerrhoden), Jakob Künzler mit armenischen Waisenbuben.
Liebeskraft aus 1000 Jahren
Im Jahr 2021 feiert Hundwil seinen 1100. Geburtstag – könnte man sagen. Denn im Jahr 921, also vor 1100 Jahren, wurde der Name «Hundwil» zum ersten Mal in einem heute noch vorhandenen Dokument aufgeschrieben. In diesem Jahr feiert aber auch der bedeutendste Sohn der Gemeinde, Jakob Künzler, einen runden Geburtstag: Am 8. März wird es genau 150 Jahre her sein, seit er im heutigen Sonnenfeld geboren wurde.
Es wäre nicht recht, wenn wir diese beiden Geburtstage verstreichen liessen, ohne einen Moment innezuhalten und uns dankbar zu besinnen. Wie viel haben vergangene Generationen geleistet! Mit wie viel Opfermut haben sie sich durch grosse Gefahren und Nöte gekämpft, und wie oft sind sie gnädig bewahrt und mit frischen Kräften begabt worden, so dass wir heute in einem schön gepflegten Dorf im Frieden und Wohlstand leben dürfen. Man kann zurückdenken an die Zeiten, als hier der Urwald gerodet, gereutet und geschwendet werden musste, um Weideland für die Tiere und Acker- und Gartenland für die Menschen zu gewinnen. Oder an die Zeiten, in denen Väter und Mütter von morgens früh bis tief in die Nacht am Webstuhl sassen, um ihre Kinderschar zu ernähren. Aber auch an den heftigen Konflikt, der dazu führte, dass sich Hundwil und Stein trennten, und an den Pfarrer Scherrer, der mit Umsicht und treuer Liebe Frieden zwischen den beiden Rhoden gestiftet hat. In allen diesen Wechseln der Zeiten haben die Menschen um Vertrauen und Schaffenskraft gerungen. Sie haben dazu ihre Vernunft gebraucht und ihr Gottvertrauen gestärkt. Eine Generation hat der nächsten weitergegeben, was ihr in Freude und Leid geholfen, was ihr in guten und in bösen Zeiten Grund und Halt verliehen hat.
Aus diesem Wurzelgrund der Liebe ist auch Jakob Künzler mit der Schar seiner Geschwister herausgewachsen. Aus dem Boden seiner Heimat hat er Saft und Kraft gezogen, dass er zum geschickten Handwerker und dann zum umsichtigen Krankenpfleger und Operateur reifen konnte – bis er im fernen Land zum gewitzten und standfesten Retter von tausenden von Waisenkindern werden durfte. An seiner Person und seinem Lebenslauf können wir lernen, wie die Liebe wächst und Fantasie und Beharrungsvermögen entwickelt, so dass sie mit guten Worten und tapferen Taten zu einer Quelle der Hoffnung und Lebensfreude für viele wird.
An all das möchten wir mit einer Ausstellung in der Kirche und mit einigen festlichen Gottesdiensten erinnern, beginnend mit dem Gottesdienst zum Geburtstag von Jakob Künzler. Den feiern wir am 7. März 2021. Ich hoffe sehr, dass die Gemeinde diese Gelegenheit ergreift, um sich an ihre Wurzeln zu erinnern und frische Zuversicht zu schöpfen für das, was an neuen Herausforderungen auf sie zukommt!
Pfarrer Bernhard Rothen