Liebe Hundwilerinnen und Hundwiler!
Kein vernünftiger Mensch würde so etwas glauben – wenn nicht ganz starke Argumente dafür sprechen würden. Die Bibel behauptet, dass der Schöpfer zu uns Menschen reden will. Wer kann das glauben? Der Gott, der die Erde und alle ihre unzählig vielen Pflanzen und Tiere gemacht hat, der sich das Geheimnis des Lichts, des Wassers und der Luft ausgedacht und unsere Körper so erschaffen hat, dass wir atmen, sehen und unsere Nahrung zu frischer Lebenskraft verwandeln können, der in den unvorstellbar weiten Räumen vom Universum die Milliarden von Himmelskörpern auseinanderstreben lässt – dieser Gott, sagt die Bibel, wolle zu uns reden. Nicht mit donnernder Stimme vom Himmel herab. Sondern durch das, was Mose, die Propheten, König David, Jesus und die Apostel gesagt und geschrieben haben. Wer kann das glauben? Kein vernünftiger Mensch würde das – wenn die Bibel nicht ein so vielschichtiges, präzises, überreiches und doch auch wieder klares und einfaches Buch wäre. Nun aber kann jeder sich selber überzeugen. Jeder kann die Bibel aufschlagen und lesen. Und merkt dann zuerst: Das sind starke, schwere, oft komplizierte Worte. Wie könnte es anders sein, wenn der Allmächtige zu uns reden will? Was da geschrieben steht, kann niemand in fünf oder in zwanzig Minuten verstehen. Dafür muss man sich Zeit nehmen, viel Zeit. Denn da redet tatsächlich einer, der klüger als ich, mit einer Liebe, die viel leidenschaftlicher ist als ich zu ermessen vermag. So viele verschiedene Menschen, mit so verschiedenen Lebensschicksalen, hat dieser Gott schon begleitet, getröstet und mit einer unauslöschlichen Hoffnung begabt.
Diesem unfassbar grossen Gott habe ich 37 Jahre lang dienen dürfen als Pfarrer. Wir mussten bei unserer Ordination versprechen, dass wir das Bibelwort getreu weitersagen. Schon im Studium konnte ich nicht glauben, was die meisten unserer Professoren ganz selbstverständlich vorausgesetzt haben: Dass die Bibel ein menschengemachtes Buch sei, in dem sich achtenswerte religiöse Gefühle und Erlebnisse spiegeln. Ich konnte das nicht glauben, weil die Worte der Bibel so sind, wie sie sind: Oft sehr fremd, kindlich, manchmal unheimlich, und doch geheimnisvoll gut. Darum bin ich vom ersten Tag im Pfarramt davon ausgegangen, dass es doch stimmt, was die Bibel selber sagt (auch wenn wir es an der Universität anders gelernt hatten): In den Bibelworten redet tatsächlich Gott. Ein Gott, der so mächtig ist, dass ich ihn niemals verstehen werde (und schon gar nicht das Recht habe, ihn zu korrigieren). Im Vertrauen darauf habe ich mit vielen hundert Menschen, jungen und alten, über das Gotteswort geredet. Ich habe mir zu Herzen genommen, was sie mir über ihr Leben berichtet haben, Leidvolles und Schönes, und habe ihnen dazu etwas Tröstliches und Befreiendes aus der Bibel zu sagen versucht, und mit ihnen gebetet. So bin ich selber immer tiefer und tiefer und das Bibelwort hineingeführt worden. Ich habe immer mehr verstanden und darf jetzt am Ende von meiner pfarramtlichen Tätigkeit bekennen: Das Bibelwort ist und bleibt für mich ein staunenswert gutes und grosses Geheimnis. Vieles, was ich da lese, macht mich unruhig, erschreckt mich. Aber ebenso vieles macht mich fröhlich, schenkt mir ein kindliches Zutrauen und begabt mich mit einem hellen und wunderbar tiefen Frieden.
So kann ich uns allen jetzt nur wünschen: Möge der Gott der Bibel mit uns sein, bis an unseren letzten Lebenstag, und mit seinem Wort uns begleiten auch auf dem schmalen Weg, der uns in das führt, was kein Mensch sich denken und vorstellen kann: Das ewige Leben jenseits der engen Pforte des Todes.
Mögen wir einander, so lange noch Zeit ist, alles Unrecht und Böse vergeben können, damit wir dann darüber staunen und uns freuen können, dass der Schöpfer uns tatsächlich vergeben und uns zu seinen Kindern gemacht hat. Adieu – Gott befohlen, liebe Hundwilerinnen und Hundwiler!
Pfarrer Paul Bernhard Rothen