Wort des Pfarrers
Fluch oder Segen
Nun bin ich bereits ein gutes Jahr Pfarrer in Hundwil. Sonntag für Sonntag darf ich mit einer treuen und überdurchschnittlich zahlreichen Gemeinde Gottesdienst feiern. Zuletzt durften wir in einem vom Jugendchörli und den Religionsschülern bereicherten Erntedankgottesdienst unserem Schöpfer danken. Während in vielen Gegenden unseres Landes und der Erde grosse Trockenheit und Wassermangel herrschte, hat er in Hundwil die Matten treu von oben getränkt, so dass sie grün und saftig blieben. Das Vieh auf den Alpen und die Bauern zu Hause konnten gutes Gras ernten.
Nebst den Gottesdiensten (auch im Erika), den Besuchen zu Hause, in den Altersheimen und im Spital, ist vor allem der Unterricht eine grosse, verantwortungsvolle und immer wieder auch dankbare Aufgabe.
Bei den älteren Kindern merke ich, dass ihnen ein inhaltsreicher kirchlicher Unterricht zu Teil geworden ist. Sie haben hier in Hundwil ausserordentlich viel gelernt über ihren Schöpfer und Herrn. Manche Kinder wissen dank Jahren in der Sonntagsschule und im Religionsunterricht mehr vom Gott der Bibel, als viele der älteren Christen, ob in Hundwil oder anderswo. Viele sind auch aktiv dabei im Unterricht, stellen gute Fragen und geben manches Mal bedenkenswerte Antworten auf meine Fragen.
In der 5. und 6. Klasse hören wir momentan vom Prophet Jeremia. Die Kinder sehen an ihm unter anderem, dass Gott manchmal auch Dinge von uns verlangt, die uns nicht liegen, die wir lieber nicht wollen, die mühsam und beschwerlich sind. Jeremia hatte von Gott den Auftrag erhalten, sein Volk, seine Mitmenschen zu kritisieren und zur Umkehr zu rufen. Sie sollen sich abkehren von ihren bösen Wegen und umkehren zu Gott.
In einer Religionsstunde fragte ich die Schüler: „Was würde Jeremia uns in Hundwil sagen, wenn Gott ihn heute zu uns schicken würde?“ Zu meiner grossen Überraschung antwortete eines der Kinder: „Wir sollen weniger fluchen.“
Diese Antwort hat mich erstaunt. Denn das ist etwas vom Wenigen, das mir in diesem ersten Jahr als Hundwiler Pfarrer ebenfalls negativ aufgefallen ist: In Hundwil wird viel geflucht. Und dies nicht bloss unschön aber harmlos wie etwa „Hueresiech“ oder ähnliches. Es wird dabei leider auch häufig der Name Gottes missbraucht.
Nicht nur ein „O mein Gott!“ oder „Jesses Gott“ (Abkürzung für Jesus ist Gott, übrigens das kürzeste christliche Glaubensbekenntnis) oder „Heilandsack“ (Heiland Sakrament, etwa „der Heiland stehe uns bei mit seinem Sakrament“ (Abendmahl)). Auch das ist nicht gut, wenn es kein bewusstes Stossgebet, sondern nur ein gedankenloser Ausruf ist. Besser wäre in diesem Fall beispielsweise ein „Meine Güte!“ oder ähnliches.
Weit schlimmer aber sind die richtigen Flüche! „Gottverdammi“, „Chrüzsatan“, „Chrüzsiech“! Dass Gott ihn verdammen möge, wünscht sich wohl kein geistig gesunder Mensch. Schrecklich auch ist die Bezeichnung, ja Beleidigung und Verunglimpfung des am Kreuz leidenden und sterbendenen Gottessohns als „Siech“ oder gar als „Satan“. –
Das je nach Zählung zweite oder dritte Gebot der zehn Gebote lautet: „Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen. Denn der Herr wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen missbraucht.“ (2. Mose 20, 7).
Wohl keiner, der unbewusst und gedankenlos Gott oder Jesus anruft und wahrscheinlich auch keiner, der ebenso gedankenlos mit dem Namen Gottes flucht, ist sich bewusst, dass er damit den Namen Gottes missbraucht. Und die allermeisten würden das auch gar nicht wollen. Und doch geschieht es in manchem Haus unseres Dorfes. So dass es auch die Kinder prägt und auch sie, ohne es zu wissen oder zu wollen, bereits den Namen Gottes missbrauchen. –
Ich weiss nicht, was Jeremia zu uns sagen würde, wenn er plötzlich bei uns durchs Dorf gehen würde, in die Beizen, die Gemeindekanzlei, die Kirche, die Schule, die Jugi.-
Was ich aber weiss, ist, dass wir, jeder einzelne von uns, eine Verantwortung haben im Umgang mit dem Namen unseres Gottes und was aus diesem Umgang an Gutem oder Schlechten fliesst: Was soll in unserem Haus, in unserem Verein, in unserem Dorf Wirklichkeit werden?
Die furchtbare Drohung: „Der Herr wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen missbraucht“, oder das tröstliche Versprechen: „Der Herr ist nahe denen, die ihn anrufen, allen, die ihn ernstlich anrufen“(Psalm 145, 18)?
Pfr. David Mägli
Quelle: Hondwiler Blättli, 4. Quartal 2022