Wort des Pfarrers
ER ist wahrhaftig auferstanden!
Wohltuend haben uns die letzten Tage mit ihrer Klarheit und milden Sonnenwärme daran erinnert, dass nach dem Winter noch immer ein Frühling kommt. Nicht weil es ein Naturgesetz ist, sondern weil die Elemente, weil Sonne und Mond, weil die Erde und all ihr Gewächs, weil die kleinen und grossen Tiere noch immer das uralte Wort Gottes, das er am allerersten Anfang gesprochen hat, vollziehen (1. Mose 1). Nachdem die Kraft der Sonne die Primeln Schneeglöcklein, Märzenbecher und Krokusse aus dem Dunkel des Erdreichs gelockt hat, schmücken Buschwindröschen, Schlüsselblumen, Osterglocken, Tulpen, Hyazhinten und andere Schönheiten Wald, Wiese und Garten. Bald schon wird der Buchfink sein Lied wieder von den Bäumen schmettern und Morgens und Abends dürfen wir dem Amselmännchens lauschen, wie es seine Melodie zum Himmel singt. Die Kühe und Kälber sind unruhig und freuen sich, bald wieder draussen die Matten abzugrasen. Der Frühling hält Einzug, schwingt sein goldiges Stöckchen, erweckt vieles was tot war, zu neuem Leben und begabt auch uns Menschen wieder mit Mut und Lust zum Leben.
Wer mag in all dieser aufkeimenden Lebenslust daran denken, dass vor 2000 Jahren ein Leben in der Blüte und Kraft seiner Jugend am Kreuzesstamm verwelkt ist? –
Doch noch sind wir in der Passionszeit, hören und singen in der Kirche davon, was Jesus Christus getan und erlitten und am Karfreitag durch seinen Tod besiegelt hat. Jedes Jahr ist dieser Gegensatz augenfällig und es scheint fast ein bisschen wider die Natur zu sein: Neben dem jubelnden Frühlingsgesang der Vögel einzustimmen in die Lieder des Glaubens, welche das Leiden Christi für uns am Kreuz besingen. Hier das willkommene, sprühende Leben, hier der verstossene, zerschlagene Gekreuzigte.-
Doch wissen wir von den Propheten und Aposteln, dass ja gerade dieser Tod es ist, der neues, wirkliches und unvergängliches Leben ermöglicht. Als am dritten Tag die Frauen den Leichnam Jesu salben wollten, war das Grab leer und der Engel sagte ihnen zum ersten Mal, was seither millionenfach um die Welt, von Mund zu Mund gegangen ist und in der Osternacht auch in unserer Kirche weitergesagt wird: „Er ist auferstanden!“ –
„Wär er nicht erstanden, so wär die Welt vergangen“, besingt das älteste deutsche Osterlied (RG 462) diese frohe Botschaft.
Das ist uns heutigen, modernen und ach so aufgeklärten Menschen fremd. Es ist gut, wenn wir es uns sagen lassen und wieder neu bewusst werden: Hätte der Sohn Gottes nicht unsere Schuld auf sich genommen und das Gericht über sich ergehen lassen, die Welt hätte unter dem Zorngericht Gottes vergehen müssen. Keine Blume würde mehr wachsen, kein Vogel würde mehr singen und kein Mensch wäre mehr da, der sich darüber freut.-
„Doch seit das er erstanden ist, freut sich alles was da ist“, heisst es weiter in dem Lied.
Wenn also jetzt im Frühling die Schöpfung um uns erneuert wird und auch ins uns wieder neu die Freude und der Dank für das Dasein wächst, dann sollen wir daran denken, dass für dieses schöne, sprühende Leben einer sein Leben gelassen hat. Der Sohn Gottes. Wir sollen daran denken, dass auch wir mitschuldig sind an seinem Tod und uns darüber grämen. Doch dann dürfen wir uns auch von der alljährlichen kleinen Auferstehung in der Natur erinnern lassen, dass am ersten Ostersonntag mit Jesus Christus die grosse Auferstehung bereits begonnen hat. Die erneuerte, unvergängliche Schöpfung, daran er selbst uns Anteil geben will und da wir uns mitsamt der befreiten Kreatur ewig freuen werden.
Pfr. David Mägli
Quelle: Hondwiler Blättli, 2. Quartal 2022